Das Gefühl, gebraucht zu werden. Wiedereingliederung im Job
Rund um Baloise Das Gefühl, gebraucht zu werden. Wiedereingliederung im Job
Corinna Fröschke 5. März 2018
"Sind das nicht grosse, starke Hände?" Dieser so eindringliche Satz aus der "Unendlichen Geschichte" kommt mir unweigerlich in den Sinn als mir Daniel König seine eigene erzählt. Ich sehe ihn vor mir, den Steinbeisser im Kinofilm, dieses riesige Geschöpf, das trotz all seiner Kraft nicht die Auflösung seiner Welt verhindern konnte.

Plötzlich ist alles anders

Daniel König ist heute 57 und schildert, dass er bis 2011 ein Machertyp war. Jemand der schnell denken und handeln konnte, der in der Startup- und Telekommunikationsbranche unterwegs war, der funktionieren musste und das auch tat. Dann kam der Burn Out und alles veränderte sich. "Es ist schwer, zu akzeptieren, dass ich nicht mehr voll liefern kann. Meine mentale Stärke, mein Zugang zu Themen – alles nicht mehr abrufbar, alles diffus. Ich musste lernen, dass sich mein Körper fortan gewisser Belastung verweigerte."

Daniel war früher u.a. Projektleiter Telekommunikation er war in der Solartechnologie zuständig, arbeitete mit Startups. "Ich habe mich mit hochkomplexen Themen beschäftigt, musste stets unter Druck arbeiten und schnelle Umsetzungen liefern. Anders hätte es nicht funktioniert. Ansonsten bist du in diesen Branchen ganz schnell weg vom Fenster." Daniel erzählt mit viel Stolz aus dieser Zeit. Seine Arbeit war geschätzt. Doch sie forderte irgendwann ihren Tribut.

Burn Out 1 und 2 folgten aufeinander zudem geriet Daniel in einen schweren Motorradunfall. Zu den mentalen Einschränkungen gesellten sich körperliche. Der so kräftige, toughe Mann fiel wochen- und monatelang aus in seinem Job. "Von 100 auf 0. Ich wusste damit nicht umzugehen. Ich habe immer Leistung erbracht in meinem Leben und plötzlich: Game Over." Sein Alltag fand nun in einer Tagesklinik statt. Zwischen Gesprächstherapien und Kochseminaren erlernte Daniel einen neu strukturierten Rhythmus.

Wiedereingliederung | Langsam wieder aufbauen

Wer nach längerer Berufsunfähigkeit nicht in seine Arbeit zurückkehren kann, wird für die s.g. Invalidenversicherung (IV) angemeldet. Auch Daniel. Diese sieht vor, dass die Betroffenen nach eventuellen klinischen Aufenthalten über eine fiktive Firma wieder zurück in Arbeitsabläufe finden. Zunächst auf sehr geringem Level. Sie erhalten tägliche Aufgaben, die sie erledigen. Ohne Nutzen für die Gesellschaft oder eine Unternehmung zwar, jedoch ist der Effekt für sie selbst enorm. "Dass man wieder irgendwas macht", sagt Daniel, "das ist wichtig. Tägliche Rhythmen und Verpflichtungen gaben mir das Gefühl, gebraucht zu werden. Ich nahm gefühlt am Arbeitsleben teil, hatte sowas wie einen Job."

Wenn Menschen wie Daniel in dieser fiktiven Firma wieder bei stabilen 50% Belastung ankommen, folgt der nächste Schritt zur Wiedereingliederung. Ein IV-Trainingsarbeitsplatz in einem echten Unternehmen. Die Baloise zeigt hier soziales Engagement und unterstützt diese Massnahme. Bis heute haben in ca. zehn verschiedenen Bereichen IV-Trainings stattgefunden. Daniel wurde in die Abteilung Business Development & Services im Schaden vermittelt, weil man davon ausging: Verantwortung und Herausforderung passen.

"Meine Leistungsfähigkeit ist noch da"

Im Herbst 2016 fing Daniels Wiedereingliederung mit 60% an, Ziel war die Rückkehr zu 100%. Über neun Monate betreute er sein eigenes Projekt, ging darin förmlich auf. Hintergrund: Für die Baloise als Versicherer ist Fahrraddiebstahl alltägliches Geschäft. Dazu gehört auch, dass Räder wieder aufgefunden werden, deren Besitzer bereits entschädigt wurden und die selbige nicht mehr zurück wollen. Was passiert mit diesen Velos?

In seiner Zeit am IV-Trainingsarbeitsplatz analysierte Daniel eben diese Prozesse. Er recherchierte, sprach mit den Fachbereichen, prüfte interne Richtlinien und suchte nach einer Vereinfachung des Gesamtvorgangs. Dabei stiess er auf die Organisation Velafrica. Sie verschiffen gebrauchte Räder nach Afrika. Der ideale Abnehmer für besagte Velos. So entstand bei der Baloise im Bereich Schaden durch Daniels Initiative eine gesamtschweizerische Kooperation mit dem sozialen Projekt. (Im März gab es zudem eine Velosammelaktion. Wer sein altes Fahrrad loswerden wollte, konnte es an diesen Tagen spenden – für den guten Zweck.) "Ich habe gemerkt", so beschreibt es Daniel, "dass meine Leistungsfähigkeit noch da ist. Dass mein Wissen von Nutzen sein kann. Ich bin stolz, dass meine Ideen übernommen wurden."

IV-Trainingsarbeitsplatz | Keine Garantie auf Weiterbeschäftigung

Leider hat Daniels Körper nicht in dem Mass mitspielen wollen, wie es sein Wunsch war. Die anvisierten 100% waren bei der Wiedereingliederung nicht zu erreichen. Wann immer die Belastung zu gross wurde, stellte sich Daniels Immunsystem quer. "Ich verstehe das Engagement der Baloise als Türöffner. Weiterbeschäftigung kann nicht garantiert werden", bilanziert er. "Ich bin einfach dankbar, wieder jeden Morgen in die öffentlichen Verkehrsmittel steigen und mit dem Strom mitschwimmen zu können. Früher hätte ich nie geglaubt, wie wichtig das ist." Es sind jene Erfolgserlebnisse, die sich Daniel bewusst machen muss. Die regelmässigen Gespräche mit dem Gesundheitsmanagement der Baloise, deren Mitarbeitende die Weidereingliederung begleiten, helfen ihm in diesem Prozess.

Bei der Baloise zählt der Mensch

"Abschliessend ist es toll, die Baloise als Arbeitgeberin kennengelernt zu haben. Hier zählt der Mensch. Hier wird gefragt, wie es dir geht?! Das kenne ich aus meiner Startup-Zeit nicht. Da musst du liefern und wenn du rausfällst, wirst du ersetzt. So ist das." Daniel schwärmt von einem durchweg guten Arbeitsklima während seiner Zeit im IV-Training und von kollegialen, kooperativen Erfahrungen. "Ich dachte – bevor ich anfing – das wird total konservativ bei einem Versicherer, aber ich habe eine komplett andere Welt vorgefunden. Offen, vernetzt, vielerorts vorwärtsgewandt und an Neuem interessiert. Mein grösstes Aha-Erlebnis war das Führungsfeedback", lacht Daniel. "So etwas habe ich noch nicht erlebt. Dass sich Chefs öffentlich spiegeln lassen. Das ist wirklich eine grosse Errungenschaft. Seid euch dessen bewusst und stolz drauf."

Statements

«Es ist mir ein Anliegen und eine Freude, unsere IV-Arbeitsplätze zu begleiten. Oft ist das Selbstwertgefühl unserer Klienten im Keller und ich helfe, es wieder aufzubauen. Ich kann dazu beitragen, ihnen ein Stück Souveränität wiederzugeben. Ich kann sie motivieren und freue mich, wenn sie erfolgreich sind. Ebenso leide ich mit ihnen wenn es ihnen weniger gut geht. Ich stelle sie wieder auf und bestärke sie, nicht aufzugeben. Daniel habe ich als sehr motiviert erlebt. Er wollte stets nützlich sein, sein altes Leben wiederhaben und nicht als "Invalide oder Kranker" bezeichnet werden. Es ist toll, ihm und all den anderen diese Arbeitsplätze zur Verfügung stellen zu können, denn alle verdienen eine zweite Chance. Wiedereingliederung im Job! Dies wünsche ich mir auch für Daniel. Er hat bewiesen, dass er mit seiner grossen Erfahrung noch einiges leisten kann - wenn auch nicht mehr in dem Ausmass wie vor seiner Krankheit. Aber ich bin überzeugt: Er ist eine Bereicherung für jedes Unternehmen.»

— Alessandra Rivas, Betriebliches Gesundheitsmanagement

«Daniel hat sich engagiert und voller Motivation in sein Team integriert. Er war vor allem dankbar für die Trainingsmöglichkeit bei der Baloise und über seine Themen hinaus interessiert an den Zusammenhängen. Teilweise hat er seine körperlichen Fähigkeiten im Eifer überschätzt und war durch die Rückschläge im Folgenden frustriert. Ich war aber sehr beeindruckt, dass er nie locker liess und immer wieder von neuem versuchte, seine Leistung zu erbringen. Er wollte so schnell wie möglich in die Arbeitswelt zurückkehren. Für mich ist Daniel ein Stehaufmännchen wie es im Bilderbuch steht. Mich als Betreuer hat sein IV-Trainingsplatz auch menschlich gefordert. Für uns selbstverständliche Tatsachen wie z.B. Führungsfeedback haben ihn positiv überrascht. Das zeigt mir neue Perspektiven auf. Wenn ich sehe wie schwer es Daniel hat, in die Arbeitswelt zurück zu kehren, stimmt mich dies nachdenklich. Menschen mit einer Beeinträchtigung haben es in unserer Gesellschaft sehr schwer. Die Basler macht es ihnen etwas leichter.»

— Gian Domenico Fiorot,  Business Development & Services, Schaden Schweiz

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