Es kursieren die tollsten Theorien, und selbst ernannte Spezialisten der gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Marshall B.Rosenberg verbreiten simple Ratschläge und Beispiele. Gerne wird auch vergessen, dass die GFK einen bestimmten Kontext braucht (Ich suche bewusst den Feedback-Moment, in dem ich mich mit dem Anderen austauschen kann.) und nicht Alltagssprache sein kann. Dann müssten wir uns ja die ganze Zeit auf eine Formulierung konzentrieren und wären gar nicht mehr uns selber.
Wer sich nicht intensiv und wissenschaftlich mit jener gewaltfreien Kommunikation auseinander gesetzt hat, läuft Gefahr zum Botschafter einer verwässerten und fehlinterpretierten Kommunikationskompetenz zu werden.
Nein, es ist keine ehrliche ICH-Botschaft, wenn ich Dir sage, dass ich mich immer von Dir angegriffen fühle. Nicht jeder Satz, der mit ICH beginnt, ist auch eine ICH-Botschaft. Es ist sehr einfach, in solchen Formulierungen Schuldzuweisungen, Wertungen oder Vorurteile und Vorwürfe zu verstecken. Nur weil ich sage "Ich finde, die Qualität Deiner Arbeit hat nachgelassen", wird mein Gegenüber nicht verständnisvoll nicken und daraus konstruktive Konsequenzen ziehen können.
Ein schönes Beispiel – oft gehört: "Ich fühle mich unwohl, wenn Du so mit mir redest". - Hört ihr den erzieherischen, manipulativen Unterton?
Ehrlicher und nützlicher wäre z.B.
"Es ist für mich schwer, mich in die Diskussion einzubringen. Ich möchte mich auf Augenhöhe mit Dir unterhalten. Kannst Du mir Deine Argumente so wiederholen, dass ich Deine Bedürfnisse dahinter verstehe?"
«Wir sind verantwortlich für das was wir denken, sagen und wie wir handeln.
Wir sind nicht verantwortlich für die Reaktionen der anderen auf unser Tun.»
Die gewaltfreie Kommunikation kann im Feedback-Kontext ein wunderbares Instrument sein, wenn sie im Sinne des Erfinders angewendet wird. Dazu braucht es eine Reihe von Kompetenzen, die man sich aneignen und üben kann, die jedoch nicht eben mal so passieren.
Bevor wir eine Rückmeldung geben, die von Integrität zeugt und dem Gegenüber die Chance gibt, sich zu reflektieren, sollte man sich folgender Vorgänge bewusst sein:
Woran merke ich, dass in mir ein Gefühl "grummelt"?
Kann ich diesem Gefühl einen Namen geben?
Wie übersetze ich dieses Gefühl in ein Bedürfnis?
Auf welche Art und Weise formuliere ich daraus eine Bitte?
Eine gelebte Feedback-Kultur ist eine tolle Sache, die ein Unternehmen und die Menschen, die dafür arbeiten, weiterbringen kann. Wer nimmt sich Zeit, ernsthaft darüber zu reflektieren? Sind wir uns bewusst, dass zu einer gesunden Feedback-Kultur Mut und Selbstbewusstsein gehören? Und was können wir tun oder brauchen wir, um diese beiden Eigenschaften einerseits angstfrei und andererseits konstruktiv zu leben?