Das Einhorn gehört zu einer ganzen Formation Schwimmreifen, die überall sehr eigenwillig über den Köpfen der Mitarbeitenden als Dekoration herhalten. Typische Startup Atmosphäre! Ein paar lässige Möbel, Stühle, Sofas, überall Post-its: kein Gedanke soll verschwinden. Und dann sitzen sie dort im Inkubator und Accelerator F10 - die GründerInnen jener Startups, die 6 Monate lang unterstützt und finanzgespritzt ihr Produkt entwickeln dürfen. Jedenfalls versuchen sie das.
Es ist ein warmer Sommertag.
Alle tragen kurze Hosen, Flip Flops, Kleidchen, niemand ist in Business Klamotte gekommen. Es ist ein bisschen wie daheim. Sie lümmeln auf den Sofas, hocken im Schneidersitz in der Ecke, auf dem Schoss blinken ihre Laptops. Wir befinden uns in einer Masterclass - einer Schulung - wie sie im F10 jeweils monatlich über eine Woche stattfindet. Da lernen die Startup-GründerInnen wie sie mit ihrer Idee die Geschäftswelt erobern können, wie sie ihre Kunden erreichen, was ihr Produkt im Markt wert ist. "Am spannendsten fand ich die Gespräche mit Passanten auf der Strasse", sagt Stefan aus Berlin. "Verstehen sie unsere Startup Idee? Brauchen sie sie? Wo treffen wir auf Bedürfnisse und wo liegen wir daneben? Ich habe gelernt und nachbessern müssen bei meiner Idee."
Die Themen in den Masterclasses bedienen Entrepreneurs-Grundlagen: es geht um Marketing und Brands, um Verhandlungstools für Gespräche mit potentiellen Investoren, um Businesspläne und Präsentationen. Zunächst wird theoretisches Wissen in komprimierten Einheiten vermittelt, dann sollen die angehenden UnternehmerInnen das Gelernte praktisch anhand ihrer Startup-Idee umsetzen. Eine Woche lang jeden Monat drücken sie die Schulbank im F10. "Das ist ungewohnt, dass wir nun wieder hier sitzen und lernen", gibt Mette aus Dänemark zu. Sie lebt heute in Zug in der Schweiz und ihre Schulzeit ist seit gut 25 Jahren vorbei. "Aber ich bin dankbar für den Druck, den sie uns im F10 machen, für die Deadlines, die wir haben. Ohne sie wär unser Startup wohl noch ohne Website."
Der Kreis schliesst sich
Es ist irgendwie aberwitzig. Da wollen sich die jungen Startups von allem Tradierten lossagen, ihr eigenes Ding machen, ihre Visionen autark umsetzen und dann fehlt ihnen der Zugang zur Businesswelt: Unternehmerwissen, Erfahrungen in der Branche. Deshalb braucht es diese Weiterbildung im F10. Und gestandene Firmen wie die Baloise brauchen die jungen Ideen der Startups, um zukunftsfähig zu bleiben. Darum wiederum unterstützen sie Inkubatoren bzw. Accelerators wie F10 in Zürich - mit Geld und KnowHow. "Würde ich mir all dies` Wissen, das wir hier geballt bekommen, privat aneignen wollen, müsste ich viel Geld für Schulungen zahlen." So räumt es ein junger Mann aus der Slowakei ein. "Dass all diese Mentoren uns coachen, dass erfahrene Unternehmer und Marketer ihr Wissen mit uns teilen, ist ein Privileg."
Entrepreneurs` Dinner zum Abschluss der Masterclass
Am Donnerstagabend lauschen alle gespannt Andi Kunz aus der Schweiz. Er hat zu Beginn seiner Karriere etwas naiv zwei Airlines in Afrika an den Start gebracht und dann wieder abwickeln müssen. Eine wichtige Lektion für sein Unternehmerdasein, die er im F10 gern weitergibt. Heute führt u.a. eine Goldmine in Kamerun, mit deren Einnahmen und dank zusätzlicher Spendengelder er nun ein humanitäres Projekt im Nahen Osten finanzieren kann. NOIVA entsendet Freiwillige nach Jordanien, die dort beim Aufbau von Arbeitsplätzen und wichtigsten Hilfeleistungen anpacken. Natürlich sind seine Erlebnisse sehr weit weg von der Startup-Welt seiner jungen Zuhörer, aber was sie an diesem Abend lernen ist ein Grundsatz - vielleicht der Wichtigste von allen: "Bleib dran, auch wenn du scheiterst. Steh auf und finde einen neuen Weg für deine Vision. Eine Idee braucht Leidenschaft und Durchhaltevermögen."