Über Hubert als Person
Timm: Hubert, was wolltest du werden als du klein warst?
Hubert: Ich hatte keine konkreten Vorstellungen, ausser vielleicht Müllmann. Es hat mich fasziniert, dass die Müllmänner hinten auf das fahrende Fahrzeug aufspringen. Generell wollte ich eher Dinge machen, die nicht alle machen dürfen.
Kim: Was machst du heute?
Hubert: Ich bin Scrum Master in zwei Teams in der IT Schweiz. Ein grosses und ein kleines Team. Beide sind im Bereich Datawarehouse. Ein Team betreut die älteren Applikationen, die noch weiter laufen und das andere Team betreut den Betrieb für das neue Datawarehouse.
Kim: Wie bist du zur Baloise bekommen?
Hubert: Ich bin Diplom-Physiker, habe kurze Zeit auch als Physiker an einem Institut gearbeitet und habe dann aber in die Versicherungsbranche gewechselt. Diese Branche hat damals explizit nach Physikern gesucht.
Scrum als Methode
Timm: Was bedeutet Scrum?
Hubert: Scrum ist ein schlanker Prozess aus der agilen Softwareentwicklung. Es gibt hierbei nur drei Meetings, drei Rollen und drei Artefakte. Für mich zählen aber mehr die Werte wie Fokus, Respekt und Commitment, die dahinter stecken.
Timm: Und Scrum Master ist einer dieser drei Rollen?
Hubert: Genau. Der Scrum Master ist für den Prozess verantwortlich. Er unterstützt die Teams bei der Selbstorganisation, löst Probleme und schafft einen Rahmen für gute Zusammenarbeit.
Kim: Du lebst diese Werte dann auch vor?
Hubert: Ja, ich verlange nichts von meinen Teams, was ich nicht auch selbst mache und vorlebe. Vieles funktioniert über Imitation, daher muss der Scrum Master das gewünschte Verhalten auch selbst zeigen.
Timm: Welches sind die anderen zwei Rollen der Scrum Methode?
Hubert: Es gibt noch den Product Owner, der für das Produkt zuständig ist, somit den Kunden repräsentiert und die fachliche Priorisierung vornimmt. Der Product Owner übernimmt somit das "Was" im Prozess und das "Wie" ist die dritte Rolle: Die Softwareentwickler.
Die Rolle des Scrum-Masters
Timm: Bist du dann der Chef dieser Softwareentwickler?
Hubert: Nein, überhaupt nicht. Ich bin nicht weisungsbefugt und bin hierarchisch auf der gleichen Stufe. Ich muss also mit Argumenten überzeugen. Wir probieren Dinge aus und führen das fort, was gut funktioniert. Dinge, die nicht gut funktionieren, lassen wir bleiben.
Kim: Wie wirken sich die agilen Methoden sonst noch auf die Arbeit aus?
Hubert: Durch Scrum wird vieles transparent. Man sieht, wer an was mit welcher Priorität arbeitet. Wir arbeiten ständig an unserer Weiterentwicklung und daran, besser zu werden.
Timm: Ist es einfach in dieser Rolle noch zusätzliche Dinge dazuzulernen?
Hubert: Für mich ist es nicht leicht, sondern notwendig, neue Dinge dazuzulernen. Ich bin seit 2014 ausgebildeter Mediator, um bei Konflikten helfen zu können und habe mich auch zum professional Business Coach weitergebildet. Ich kann damit nicht nur Konflikte zwischen einzelnen Personen moderieren, sondern auch Teams coachen. Mein Werkzeugkoffer wird immer grösser. Es gibt den schönen Satz: "Für den, der nur einen Hammer hat, ist jedes Problem ein Nagel." Wenn man ein breiteres Repertoire hat, hat man mehr Möglichkeiten und kann sich besser auf die Situation anpassen.
Timm: Was macht Scrum einfacher, und was macht Scrum schwerer im Vergleich zum dem klassisch hierarchischen Arbeiten?
Hubert: Eine Leitung zu haben, die dahinter steht ist enorm wichtig, um Scrum mit seinen Vorteilen umzusetzen. Wir haben als Informatik, wie eine Insel, angefangen in der Baloise agil zu werden und da sind wir auch an Grenzen gestossen. Unser Umfeld musste lernen, damit umzugehen - beziehungsweise unser Umfeld, also verschiedene Fachbereiche, haben die Vorteile von agilen Methoden, wie Kanban oder Scrum, auch für sich erkannt und nutzen diese. Hier ist zum Beispiel der Open-X-Day als Format zu nennen, der in verschiedenen Abteilungen wie zum Beispiel der Personalabteilung kopiert wird.
Kim: Die agilen Methoden werden also nicht nur in der IT angewendet?
Hubert: Das ist richtig. Man sieht das auch, denn die Wände fangen zum Beispiel durch Kanban-Boards an zu leben. Die Methoden werden einfach an das Umfeld angepasst.
Kim: Warum sind solche Methoden aus der IT entstanden?
Hubert: Ich denke, weil in der IT der Druck am grössten war. Man hat gemerkt, dass das klassische Herangehen in einer immer schnelllebigeren Welt nicht mehr funktioniert. Die Zyklen werden immer kürzer, gerade wenn es um das Internet und Hardware geht. Um darauf reagieren zu können, sind agile Methoden wichtig.
Timm: Wo lassen sich agile Methoden anwenden und wo nicht? Ist hohe Genauigkeit und Qualität ein Hindernis?
Hubert: Bei Scrum ist es so, dass das Team ein Recht auf Qualität hat. Die Entwickler selber können und müssen Qualität einfordern beziehungsweise, dass sie Qualität liefern dürfen. Denn wenn man keine gute Qualität abliefert, holen einen die Fehler wieder ein.
Scrum bei der Baloise
Timm: Viele Unternehmen behaupten von sich, sie seien agil. Wie macht das die Baloise?
Hubert: Wir haben die ganze Informatik Schweiz auf einmal umgestellt. Das war nur möglich, weil wir eine Leitung hatten, die dahinter stand. Wir hatten dann keine Grenzen mehr zwischen den Teams in der IT und konnten von einander lernen und uns austauschen. Davon profitieren wir, aber auch andere. Wie am Beispiel des Agile Breakfast in Basel oder des Open-X-Days. Es geht dabei um den Gedanken, sich gegenseitig auszutauschen und dadurch voneinander zu lernen.
Timm: Wie viele Leute arbeiten in der IT Schweiz der Baloise?
Hubert: Wird sind rund 150 Mitarbeitende intern, und dazu kommen noch rund 80 Externe.
Kim: Wann wurde die IT Schweiz auf die agilen Methoden umgestellt?
Hubert: Im Mai 2010. Wir haben in diesen 7 Jahren viel gelernt und wirklich viel erreicht. Das sieht man auch daran, dass sich viele Firmen bei uns anschauen, wie man diese Umstellung durchführen kann.
Timm: Lebt ihr Scrum in seiner ursprünglichen Form?
Hubert: Alle Teams haben mit dem klassischen Scrum begonnen aber das funktioniert nicht überall. Da Scrum aus der Projekt-Welt kommt, passt die klassische Variante nicht für Teams, die mit wiederkehrenden Aufgaben oder ad hoc Anfragen über Tickets zu tun haben. Dort wo die Aufgaben eher nicht planbar sind, hat sich Kanban durchgesetzt. Für mich ist das kein entweder - oder, sondern wir haben Scrum durch Kanban ergänzt.
Kim: Bei den agilen Methoden geht es ja vor allem um "Mensch vor Prozess". Wie spiegelt sich das in der Baloise Kultur wider?
Hubert: Eine offensichtliche Widerspiegelung ist unser Flex Office, die den Austausch der Teams stark fördert.
Mehr über die Kultur der Baloise
Kim: Warum arbeitest du bei der Baloise?
Hubert: Ich arbeite gerne hier, weil ich viele Möglichkeiten, beispielsweise durch Weiterbildungen habe und viele verschiedene Sachen machen kann. Die Rolle des Scrum Master entspricht meinem Wesen, da ich andere unterstützen kann. So fördert die Baloise ganz individuell die Stärken einer Person.
Timm: Der Open X Day ist ja auch ein Format, das den gegenseitigen Austausch und dadurch die Weiterbildung fördert. Kannst du kurz etwas zu diesem Format erzählen?
Hubert: Man nennt es auch "open space". Es werden Räume reserviert und innerhalb von Stunden-Slots werden verschiedenste Dinge vorgestellt. Jeder der möchte kann ein Thema einbringen. Das Spektrum reicht von fachlichen Themen über Erfahrungsberichte von Konferenzen und zum Beispiel Hilfe bei der Grenzgänger-Thematik bis hin zur Vorstellung von neuen Brettspielen. Im Prinzip hat alles Platz, was man selbst neu gelernt hat. Es hat alles und jeder Platz. Wenn also jemand von Extern etwas Interessantes zu berichten hat, ist er oder sie herzlich willkommen.
Kim: Wie ist die Stimmung bei euch in der Abteilung?
Hubert: Die Stimmung ist im Grossen und Ganzen sehr gut. Natürlich gibt es auch bei uns Konflikte und Wünsche, die nicht erfüllt werden können, aber jeder bekommt die Möglichkeit, Dinge anzugehen und zu verändern, sich zu engagieren und weiterzuentwickeln, wenn er oder sie denn möchte.
Kim: Haben die agilen Methoden zu dieser Stimmung beigetragen?
Hubert: Ganz bestimmt. Weil man selbst aktiver wird und in der Verantwortung steht sich zum Beispiel eine passende Fortbildung auszusuchen.
Die Vielfältigkeit
Timm: Gehört es für dich zur Rolle des Scrum Masters dazu, so vielfältig weitergebildet zu sein wie du?
Hubert: Ich sehe das eher umgekehrt. Ich sehe mich als Agile Coach, also als jemand, der im agilen Umfeld tätig ist. Scrum Master ist für mich nur eine von vielen Rollen. Ein Agile Coach muss je nach Situation verschiedene Rollen einnehmen.
Kim: Sind denn alle Scrum Master so wie du?
Hubert: Wir haben ganz unterschiedliche Charaktere als Scrum Master. Das ist auch wichtig, denn jedes Team brauch andere Personen als Scrum Master. Wenn es zum Beispiel um eine Neuentwicklung geht, sollte der Scrum Master einen Hintergrund als Entwickler haben. Wird ein Team neu zusammengeführt ist eher ein Scrum Master mit hoher sozialer Kompetenz und Softskills gefragt.
Timm: Was haben die Scrum Master, die bei uns arbeiten gemeinsam, und wo sind die Individualitäten?
Hubert: Der gemeinsame Nenner ist, dass für uns die agilen Werte zählen und Scrum als Prozess wichtig ist. Wir unterscheiden uns aber jeweils in der Zusammensetzung unserer Aufgaben. Die wenigsten von uns sind zu 100% Scrum Master. Manche sind zum Beispiel Scrum Master und Entwickler. Wenn jemand zu 100% Scrum Master ist, dann betreut er zwei Teams. Es kommen hier also Menschen zusammen, die aus ganz unterschiedlichen Richtungen kommen.
Kim: Es gibt also keine Ausbildung, die man vor der Schulung zum Scrum Master unbedingt absolviert haben sollte?
Hubert: Nein. Man muss nicht unbedingt Informatiker sein oder Versicherungs-Know-How haben, wenn man bei uns anfangen möchte. Dafür gibt es dann spezielle Inhouse-Schulungen. Für mich ist das wichtigste die richtige Einstellung. Das man hinter den Scrum Werten steht und sich für nichts zu schade ist und einfach auch mal macht.
Kim: Gibt es Eigenschaften, die man unbedingt mitbringen sollte?
Hubert: Lernfähigkeit, sich also auf Neues einlassen zu können und sich selbst zu reflektieren.
Timm: Hat sich die Vielfältigkeit in deinem Job ergeben oder hast du sie explizit gesucht?
Hubert: Beides. Es hat sich zum einen einiges ergeben aber zum anderen ist das auch etwas, das mir liegt. Es liegt vielleicht auch in meiner Natur als Physiker, dass ich immer über den Tellerrand hinaus schaue und versuche, Zusammenhänge zu erkennen.
Kim: Was kommt nach dem Scrum Master?
Hubert: Die nächste Tür hat sich noch nicht geöffnet. Das hat auch keine Eile, da ich ganz frisch als Coach ausgebildet bin und sehr glücklich mit dem bin, was ich mache. Was mir auch sehr viel Spass macht, ist unsere Expertise und Erfahrung in die anderen Länder zu tragen und dort zu unterstützen.
Tipps für Bewerber
Kim: Kannst du uns als Agile Coach einen Tipp für ein erfolgreiches Bewerbungsmanagement geben?
Hubert: Authentisch zu sein ist sicherlich ein wichtiger Tipp. Man sollte das Interesse, das man hat, auch ausstrahlen. Eine Standardbewerbung kommt heute nicht mehr an. Es zählt viel mehr der individuelle Mensch dahinter.
Kontakt zu Hubert
Timm: Wie kann man mit dir in Kontakt treten, wenn man mehr über dich oder deinen Beruf erfahren möchte?
Hubert: Man kann gerne mit mir über E-Mail Kontakt aufnehmen.