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Schadeninspektor: Dem Schaden auf der Spur (BJC012)
Karriereblog Schweiz Schadeninspektor: Dem Schaden auf der Spur (BJC012)
Timm Süss 29. August 2016 Mitarbeiterportraits, Schaden, Podcast lang
Wir waren mit dem Zug unterwegs ins schöne Luzern, um den Schadeninspektor Ricardo Pereira zu besuchen. Er hat uns erzählt, was uns an seiner Arbeit Spass macht und welche kuriosen Schadenfälle er schon erlebt hat.

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Show Notes

Intro

00:30: Timm war am Podstock, einem Festival für Podcasting, an dem Hörer und Podcaster zusammentreffen. Mehr Infos gibt es auf podstock.de.

Bitte stelle dich kurz vor

01:56: Mein Name ist Ricardo Pereira; ich bin Schadeninspektor bei der Baloise seit 1998.

Was wolltest du als Kind werden?

02:04: Ich komme ursprünglich aus Portugal, und da war der Kindheitstraum von einer Fussballkarriere naheliegend.

Wie bist du Schadeninspektor geworden?

02:19: Ich bin 1998 zur Baloise gekommen, habe in Ob- und Nidwalden meine Grundbildung abgeschlossen und in der Schadenabteilung angefangen zu arbeiten. Von da habe ich mich zum Schadeninspektor hochgearbeitet und weitergebildet.

Welche Ausbildungen gibt es für den Beruf als Schadeninspektor?

02:46: Es gibt keine spezifischen Ausbildungen für die Funktion Schadeninspektor. Nach der Grundbildung ist der nächste Schritt der Versicherungsfachmann. Darüber hinaus bildet man sich auf der gesetzlichen Seite weiter.

Was ist ein Schaden für dich?

03:07: Ein Schaden ist etwas, das beschädigt, zerstört oder verletzt wird. Bei einem Sachschaden möchte man das Beschädigte gerne ersetzt haben. Bei einem Personenschaden ist das etwas schwieriger.

Was ist ein Schadeninspektor?

03:35: Es gibt den Sachschadeninspektor, der vor allem Unwetter- oder Wasserschäden begutachtet; dann gibt es den Haftpflicht-Personenschadeninspektor - meine Aufgabe - der Personenschäden aus Verkehrs- oder Bauunfällen betreut. Auch in Situationen, in welchen ein Baufehler vorgekommen ist, ist es meine Aufgabe, das entsprechend zu regulieren.

Bist du viel auf Baustellen unterwegs?

04:15: Hauptsächlich schon. Früher war ich noch viel öfter unterwegs, doch es gibt auch einige administrative Aufgaben, die ich im Büro erledigen muss.

Bist du viel alleine?

04:33: Im Büro nicht, aber unterwegs schon. Man hat natürlich auch viel mit anderen Menschen zu tun, seien dies Versicherungsnehmer, Anwälte, und so weiter.

Wie bist du unterwegs?

04:57: Ich bin hauptsächlich mit dem Auto unterwegs. Ich bin nicht der ÖV-Typ, und ohne Auto ist es oft schwierig, dorthin zu kommen, wo man als Schadeninspektor hin muss.

Bist du auf Abruf unterwegs?

05:17: Es kommt selten vor, dass ich kurzfristig verreisen muss. Zuerst geht es meist darum, Akten und Fakten zu sammeln, um dann ein paar Tage darauf den Schaden vor Ort zu beurteilen. Im Sachschadenbereich, z.B. bei Bränden oder Unwettern, ist ein kurzfristiger Einsatz jedoch häufiger der Fall.

Wie bringst du deinen Job mit deiner Familie unter einen Hut?

Das gelingt sehr gut. Ich habe zwei junge Kinder, und da meine Arbeit vor allem lokaler Natur ist, gibt mir dies viel Flexibilität. Ich kann auch von zuhause aus arbeiten, wenn ich einen Termin in der Nähe habe.

Du hast gesagt, du hättest dich zum Schadeninspektor hochgearbeitet. Gibt es Stationen, die man dazu durchlaufen sollte?

06:24: Grundsätzlich schon. Zu Beginn beschäftigt man sich meist mit einfacheren Schadenfällen als Sachbearbeiter am Hauptsitz. Mit steigender Erfahrung und Fachwissen übernimmt man dann immer komplexere Fälle, und umso grösser sind auch die Möglichkeiten, die man im Beruf hat. Man muss aber auch den Willen haben, den Geschädigten gegenüber zu stehen. Mir gefällt dieser Kontakt sehr gut, und deshalb war für mich auch immer klar, dass ich Schadeninspektor sein möchte  - das behagt jedoch nicht allen, auch wenn sie viel Fachwissen haben.

Das klingt wie ein sehr menschenbezogener Job. Ist das so?

07:27: Ja, das ist so - sei es im persönlichen Kontakt oder am Telefon, mit Geschädigten, Anwälten, Ärzten. Die Palette ist sehr breit.

Wie bereitest du dich auf eine Inspektion vor?

07:48: Wichtig ist zunächst, dass man weiss, worum es geht und was der Fall mit sich bringt. Es gibt natürlich auch immer unbekannte Aspekte, die man nicht direkt vom Versicherungsnehmer erfährt, aber eine gute Vorbereitung ist zentral, um reagieren und kurzfristig entscheiden zu können.

Wie läuft eine Inspektion ab?

08:30: Beispielsweise hatte ich einen Fall, bei dem an einem Neubau Risse in den Stützen aufgetreten sind. In so einem Fall geht es darum, festzustellen, was überhaupt passiert ist. Wurde etwas falsch berechnet, ging beim Betongiessen etwas schief? Deshalb geht es darum, diese Fragen vor Ort zu besprechen und Experten beizuziehen.

Das scheint ein sehr "investigatives" Vorgehen zu sein, bei dem es darum geht, den "Schuldigen" für einen Schaden zu identifizieren, wenn dies den Beteiligten noch gar nicht klar ist.

09:22: Genau. Natürlich gibt es manchmal Vermutungen, was geschehen ist. Im Haftpflichtbereich muss man beweisen können, was geschehen ist. Gerade deshalb benötigen wir auch Begutachtungen von Experten, um die Ursachen für einen Schaden zu finden.

Handelt es sich dabei um externe Experten oder um Baloise-Mitarbeiter?

09:57: Obwohl wir auch Bauingenieure bei uns haben, sind es meist externe Experten. Den Beteiligten ist es auch wichtig, dass eine neutrale Expertenmeinung eingeholt ist, und da sind externe Experten meist diejenigen, auf die man sich einigt.

Und was geschieht danach?

10:21: Danach geht es darum, den Experten Aufträge in Form von Fragekatalogen zu geben. Allenfalls macht man aufgrund dieser Einschätzung nochmals eine Begehung vor Ort. Schliesslich sitzt man aufgrund des Expertenberichts zusammen mit allen Beteiligten an einen Tisch und handelt aus, was geschieht. Gerade im Baubereich sind es oft mehrere Beteiligte, auf die ein Schaden zurückzuführen. Es ist dann die hohe Kunst, alle Beteiligten davon zu überzeugen, dass die Einschätzung des Experten korrekt ist.

An solchen Verhandlungen erlebt man wahrscheinlich viel...

10:05: Das sind wirklich die spannendsten Situationen, die man erleben kann. Bei gewissen Bausituationen sitzt man mit 5 Leuten an einem Tisch, bei anderen mit 25. Dann wird es schwierig, vor allem wenn es um mehrere Hunderttausend Franken geht - dann gehen die Emotionen hoch.

Was ist in solchen Situationen deine Rolle?

11:36: Meine Rolle ist es in erste Linie, den Versicherungsnehmer zu vertreten und zu betreuen und dafür zu sorgen, dass alle am Schluss zur Entscheidung stehen können.

Hast du noch ein anderes Beispiel von einem Schaden?

12:01: Personenschäden sind natürlich ganz etwas anderes. Da geht es zum Beispiel um die Deckung von Schäden, die über die reguläre Unfallversicherung hinausgehen. Die Betroffenen, gerade ältere Menschen, brauchen dann auch eine gewisse Betreuung, jemand der ihnen für Fragen zur Seite steht.

Da braucht man sicher viel Fingerspitzengefühl?

12:37: Ja, man muss auf die Leute eingehen können, Empathie zeigen, und ein gutes Verhältnis schaffen. Gerade bei Personenschäden kann eine fehlende Beziehungsgrundlage dazu führen, dass die Betroffenen Anwälte einschalten, was die Schadenabwicklung erschwert.

Was muss jemand mitbringen, der Schadeninspektor werden möchte?

13:08: Eine gewisse Menschennähe und Empathie: Man muss gerne mit Menschen zusammen arbeiten. Fachwissen und Flexibilität sind auch wichtig - und einfach ein guter Mensch zu sein.

Muss man sich als Schadeninspektor oft behaupten?

13:39: Das muss man, ja. Man muss klare Grenzen aufzeigen können. Es gibt Menschen, die aus einem Schaden versuchen, möglichst viel herauszuholen. Und in den erwähnten Bausitzungen muss man in der Lage sein, seinen Standpunkt klar zu vertreten. "Ja" und "Amen" zu sagen, reicht da nicht.

Du hast in Schadensituationen sicher oft mit Leuten zu tun, die nicht gut gelaunt sind. Wie gehst du damit um?

14:16: Sicher, ein Schaden ist ja nichts Positives. Da versuche ich, die Menschen auf der persönlichen Ebene abzuholen, um die Emotionen aus dem Weg zu bringen und besser mit den Betroffenen sprechen zu können.

Warum bist du bei der Baloise Schadeninspektor geworden und nicht bei einer anderen Firma?

15:04: Weil Baloise ein guter Arbeitgeber ist und mir die Gelegenheit gegeben hat, diese Karriere zu verfolgen. Ich habe diese Chance bekommen, als ich sehr jung war, und die Entscheidung war perfekt.

Worüber sprechen Schadeninspektoren nach der Arbeit?

15:38: Viel über Schäden! Wir erleben viel, und nehmen viel von unserer Arbeit mit, was man mit den Kollegen an einem Feierabendbier bespricht. Aber als Fussballfan spreche ich natürlich auch gerne über Fussball.

Was ist das Spannendste an deinem Beruf, was gefällt dir besonders gut?

16:22: Der Beruf ist sehr vielfältig. Kein Fall ist wie der andere, auch wenn die Thematik dieselbe ist. Manchmal muss man ähnliche Fälle aus verschiedenen Perspektiven beurteilen, und lernt somit nie aus. Ich lerne auch ständig dazu, sei es über Gesetzesänderungen oder über neue Baustoffe. Eine Routine kommt nicht auf.

Was lernt man persönlich aus Schäden?

17:12: Man ist tatsächlich etwas "schaden-geschädigt" in diesem Beruf und sieht Gefahren, die man sonst nicht sehen würde. Das macht mich vorsichtiger.

Worauf sollten Menschen beispielsweise mehr achten?

17:48: Gurtet euch an beim Autofahren, spielt nicht mit dem Natel während der Fahrt, seid vorsichtig beim Alkoholkonsum. Das weiss man vielleicht, aber ist sich nicht bewusst, welche Tragik hinter einem Fehlverhalten stehen kann. Damit meine ich nicht bloss für einen selbst, sondern auch für andere, z.B. wenn nach einem Unfall jemand ein Leben lang im Rollstuhl verbringen muss.

Als Schadeninspektor hast du sicher schon viel erlebt. Erzähle uns doch einmal von einem aussergewöhnlichen Fall.

18:38: Ich hatte einen Fall mit einem Einfamilienhaus, bei dem die Türen nicht mehr gut geschlossen werden konnten und die Butter in der Pfanne immer wieder  auf dieselbe Seite rutschte. Nun war es so, dass sich das Haus tatsächlich seitlich gesenkt hatte. Wir haben den Fall untersucht und herausgefunden, dass der Bodenuntergrund schlecht für den gewesen war und man beim Bau hätte "pfahlen" müssen. Die Lösung war, dass das Haus ausgehöhlt, angehoben und aufgepfahlt wurde. Dieser Prozess war extrem spannend. Das Haus konnte man schliesslich ohne Abriss retten - dies war auch die günstigere Lösung, als das Haus abzureissen und neu zu bauen.

Gibt es Situationen, in welchen der Schaden so absurd ist, dass man darüber lachen kann?

19:59: Kuriose Schadenfälle sieht man eigentlich nur im Fernsehen. Solche habe ich selbst nicht erlebt. Aber ein Kollege hat mir mal einen Fernsehschaden geschildert, der vom Versicherungsnehmer so theatralisch erzählt worden sei, dass er gar nicht hätte möglich sein können.

Hattest du schon einmal einen Arbeitstag, an dem du dir gewünscht hast, du hättest lieber einen anderen Job?

20:36: Es gibt schon immer wieder Rückschläge, z.B. wenn jemand nicht mit der Entscheidung einverstanden ist, die man getroffen hat, obwohl man dachte, es sei eine gute Lösung erreicht worden. Das sind aber nur kurze Momente. Alles in allem finde ich jedoch, dass Schadeninspektor der Job ist, den ich gerne mache und auch noch für die nächsten 20 bist 30 Jahre machen möchte.

Welchen Tipp hast du für Leute, die sich für deinen Beruf interessieren?

21:20: Entscheidend ist, dass man den Job wirklich machen will und in der Lage ist, mit schwierigen und tragischen Situationen umzugehen.

Was darf man nicht sein, wenn man Schadeninspektor werden will?

21:44: Man darf nicht stur sein! In meinem Beruf braucht man eine gewisse Flexibilität und Anpassungsfähigkeit und darf nicht nur seinen Kopf durchsetzen. Gerade wenn es um Grauzonen geht, in denen man Entscheidungsspielraum hat.

Gibt es sonst noch etwas, das du unseren Hörern mit auf den Weg geben willst?

22:28: Wer sich für den Job als Schadeninspektor interessiert, dem kann ich nur Positives darüber sagen. Der Job ist mit viel Verantwortung verbunden, er ist schön, spannend und flexibel. Es gibt nichts besseres.

Wie kann man mit dir in Kontakt treten?

22:53: Am liebsten über e-Mail unter ricardo.pereira@baloise.ch.

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