An den Grenzen der Mathematik (BJC026)
Karriereblog Schweiz An den Grenzen der Mathematik (BJC026)
Kim Berrendorf 9. Juli 2017 Berufserfahrene, Mitarbeiterportraits, Podcast lang, Risikomanagement
In der 26. Folge des Baloise Jobcast unterhalten wir uns mit Andreas und Juliane, die als Mathematiker im Risikomanagement und im Pricing der Baloise arbeiten.

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Show Notes

Vorstellung

Timm: Wir haben heute zwei Gäste: stellt euch doch mal kurz vor.

Juliane: Ich bin die Juliane Noel und arbeite seit einem Jahr bei der Baloise im Pricing, speziell im Bereich "Schadenversicherung Unternehmen".

Andreas: Ich bin der Andreas Rüegg, bin Leiter vom quantitativen Risikomanagement im Konzernbereich Schweiz und mache diesen Job seit ca. 4 Jahren.

Kim: Andreas, was wolltest du werden als du klein warst?

Andreas: Ich hatte beruflich keine grosse Vision, sondern habe mich eher für bestimmte Inhalte interessiert.

Timm: Juliane, was wolltest du werden als du klein warst?

Juliane: Mir ging es ähnlich. Für mich war allerdings früh klar, wenn ich etwas mit Mathematik machen kann, dann möchte ich das auch sicher tun.

Timm: Andreas, was machst du genau als Leiter im quantitativen Risikomanagement?

Andreas: Wir sind ein Team von drei Personen und kümmern uns hauptsächlich darum, das Risikoprofil der Bereiche "Leben und Sachversicherung" quantitativ zu erfassen. Das heisst, wir erstellen mathematische Modelle für zwei Adressaten, das Management und die FINMA.

Timm: Und du, Juliane?

Juliane: Wir sind ein Team von 11 Personen. 7 davon haben ihren eigenen Bereich. Ich kümmere mich um die Transportversicherungen, technische Versicherungen, Sach- und Haftversicherungen. Momentan arbeite ich hauptsächlich in einem Projekt, das sich mit der Neukalkulation von Tarifen für kleine und mittlere Unternehmen beschäftigt.

Vom Studium zum Job in einer Versicherung

Kim: Juliane, wieviel von deinem Studium kannst du heute in deinem Beruf anwenden?

Juliane: Gerade wenn es um den Bereich der Stochastik geht, kann ich ziemlich viel anwenden. Ich muss mathematische Modelle erstellen und zum Beispiel mit Verteilungen umgehen.

Timm: In welchen Bereichen hast du dich spezialisiert in deinem Studium?

Juliane: Ich habe mich in zwei Bereichen spezialisiert. Zum einen in der Stochastik, zum anderen in der Numerik. Am Ende bin ich bei stochastischen Differenzialgleichungen gelandet.

Timm: Andreas, womit hast du dich im Studium beschäftigt?

Andreas: Ich habe die ersten zwei Jahre im Grundstudium an der ETH Physik studiert, bis zum zweiten Vordiplom. Dann gab es einen neuen Studiengang: Rechnungsgestützte Wissenschaften. Das ist eine Mischung aus mathematischer Modellierung und der Implementierung also der IT Komponente. Diesen Bereich habe ich dann bis zum Diplom abgeschlossen und im Anschluss daran meine Dissertation in angewandter Mathematik, im Speziellen in der Numerik.

Timm: Wenn ihr ein mathematisches Modell erstellt, läuft das erst mal ein paar Tage durch den Rechner?

Andreas: Im Idealfall nicht so lange aber ja, ein paar Stunden könnte das schon dauern.

Euer Arbeitsalltag

Kim: Wie sieht euer Arbeitsalltag aus?

Juliane: Momentan beschäftige ich mich hauptsächlich mit Datenaufbereitung. Danach kommen die Daten in ein Modell, man schaut welche Risikomerkmale sind signifikant, welche nicht und wertet das Ganze dann aus.

Kim: Musst du auch Reports für interne Kunden schreiben?

Juliane: Wir haben natürlich Abstimmungen mit den Versicherungstechnikern und den Underwritern. Für sie erstellen wir gerade einen Tarifrechner aber die mathematischen Grundlagen versuche ich eher aus zu lassen.

Andreas: Zum einen gibt es Standardprozesse, die durchgeführt werden müssen wie die SST Rechnungen. Zum anderen aber auch konzeptionelle Arbeiten, Modelle optimieren. Es kommt auch vor,  dass die FINMA neue Anforderungen stellt, die umgesetzt werden müssen.

Timm: Wenn du Modelle erstellst, müssen die anderen Abteilungen dann verstehen was dahinter steckt oder glaubt man euch als Abteilung schlicht und einfach?

Andreas: Man muss schon Rechenschaft ablegen. Die internen Kunden müssen die Modelle verstehen, z.B. das Assetmanagement. Wir haben die Aufgabe, diese Modelle verständlich zu vermitteln. Aber auch die externen Kunden, also die FINMA, müssen die Details des Modells begreifen.

Kim: Inwiefern beinhaltet dein Arbeitsalltag auch Führungsaufgaben, Andreas?

Andreas: Zum einen muss ich Aufgaben priorisieren. Ich übernehme teils die Kommunikation und schaue, dass mein Team motiviert bleibt, denn sie müssen neue Ideen entwickeln. Zudem ist es meine Aufgabe, mein Team zu informieren über die Dinge, die im Unternehmen laufen.

Als Mathematiker/-in in einer Versicherung

Timm: Als du dein Studium abgeschlossen hast, konntest du dir einen Job in einer Versicherung vorstellen?

Andreas: Vorstellbar ist Vieles aber nein, das war nicht sofort mein erstes Ziel. Ich habe zunächst bei SAP in Deutschland als Entwickler gearbeitet und bin danach wegen der Liebe zurück in die Schweiz gegangen. Es hätte auch dann nicht unbedingt eine Versicherung sein müssen als Arbeitgeberin aber ich bin sehr froh, dass es die Baloise geworden ist und habe es bis heute nicht bereut. Wir haben als Versicherung eine vorteilhafte Grösse, wir haben genug Produkte. Als Mensch sind wir mehr als eine Nummer in einem Grosskonzern. Gerade für Einsteiger ist das toll. Wenn man will, sieht man innerhalb kürzester Zeit sehr viel vom Unternehmen.

Timm: Juliane, was macht dir am meisten Spass an deiner Arbeit?

Juliane: Ich lerne immer noch viele neue Dinge. Gerade habe ich ein kleines Projekt abgeschlossen. Es hat sehr viel Spass gemacht daran mitzuwirken und Ergebnisse zu sehen.

Timm: In ein paar Tagen hast du dein einjähriges Jubiläum bei der Baloise. Wie war es für dich, hier gleich nach dem Studium anzufangen?

Juliane: Es war natürlich eine Herausforderung aber es hat mir sehr gut gefallen. Das habe ich auch im Gespräch nach meiner Probezeit zum Ausdruck gebracht.

Kim: Kanntest du den Beruf, den du heute ausübst, während deines Studiums schon?

Juliane: Nein. Im Studium ist man oft noch zu weit weg vom Berufsalltag. Es war einfach ein Versuch, denn ich hatte mich zunächst auf eine andere Stelle beworben und an dem Tag, an dem ich mein Zeugnis von der Uni abgeholt habe, rief mich mein jetziger Chef an und bot mir diese Stelle an.

Timm: Wie stellt ihr euch und euren Beruf auf einer Party vor?

Juliane: Im ersten Schritt sage ich natürlich, dass ich Mathematikerin bin und dann ernte ich oft Kopfschütteln, da manche mit Mathematik nicht viel anfangen können.

Andreas: Wenn ich sage, dass ich Mathematiker bin, geht es mir auch so. Wenn ich vom Riskmanagement spreche, können sich andere Leute schon mehr darunter vorstellen. Ich spreche dann auch nicht von mathematischen Modellen, sondern verwende Beispiele vom Kapitalmarkt oder Naturkatastrophen zum Beispiel. Es heisst zwar immer, dass wir Mathematiker sicher gut rechnen können aber bei uns geht es im Job nicht nur ums Rechnen. Mathematik ist eher ein kleiner Teil unserer Arbeit. Wir beschäftigen uns auch viel mit den Grenzen der Mathematik. Historische Vorfälle wie negative Zinsen sind zum Beispiel in den Modellen nicht abgebildet. Das muss man natürlich berücksichtigen und damit umgehen.

Timm: Denkst du also auch oft in Szenarien?

Andreas: Ja genau. Dann kann man auch historische Ereignisse in einem Modell durchspielen. Wobei man immer einen Schritt hinterher ist, da sich eine Krise eigentlich nie genau so noch einmal wiederholt. Aber wir versuchen daraus Schlüsse zu ziehen und zu lernen.

Timm: Juliane, wo siehst du die Grenzen der Mathematik in deinem Bereich?

Juliane: Bei mir sind die Grenzen aufgrund der Datengrundlage recht schnell gegeben. Sei es, dass die Daten zu spezifisch sind oder, dass wir an die Grenzen der Freiheitsgrade kommen. Wir arbeiten dann eng mit den Underwritern zum Beispiel zusammen, deren Erfahrung uns immer wieder weiterhilft.

Kim: Was sind die grossen Unterschiede eurer Bereiche?

Andreas: Ich habe jetzt eher die Parallelen gesehen. Auch bei uns im Riskmanagement ist die Datengrundlage oft eher dünn, z.B. wenn uns Jahrhundert-Ereignisse interessieren. Wir sind vielleicht etwas anders vernetzt im Unternehmen als der Bereich von Juliane aber von der Methode her ähneln sich beide schon sehr.

Kim: Juliane, mit welchen Abteilungen arbeitest du eng zusammen?

Juliane: Mit dem Produktmanagement und der Schaden-Abteilung.  Von dieser Abteilung erhalte ich auch meine Daten. Natürlich auch immer wieder mit der Abteilung, die den Abschluss übernimmt.

Was wäre wenn

Kim: Juliane, was würde passieren, wenn dein Bereich plötzlich ausfällt?

Juliane: Dann würde der Bereich Nicht-Leben und dessen Tarifanpassungen stillstehen. Man würde sich dann auf alte Tarife berufen aber jegliche Anpassungen würden ausbleiben.

Kim: Und beim Risikomanagement, Andreas?

Andreas: Das Risiko haben wir uns noch nie angeschaut aber es würde natürlich die Beobachtung der Solvenz-Situation, die uns gesetzlich vorgeschrieben ist, wegfallen. Spätestens beim nächsten jährlichen SST könnten Fragen nicht mehr beantwortet werden.

Timm: Andreas, was ist das grösste Risiko mit dem du in deinem Job konfrontiert worden bist?

Andreas: Das grösste Risiko, das sich in den letzten Jahren entwickelt hat, sind die fallenden Zinsen. Gerade im Bereich Lebensversicherungen ist das eine grosse Herausforderung, da man Versprechen eingeht, die man in 20, 30 Jahren erfüllen muss.

Die Baloise-Atmosphäre

Kim: Juliane, was hat dich am meisten überrascht, als du bei der Baloise angefangen hast?

Juliane: Der Umgang miteinander. Es ist hier recht familiär und man duzt sich bis in die Geschäftsleitung. Das hat mich stark überrascht, denn von Erzählungen meiner deutschen Studienkollegen kenne ich ein anderes Bild.

Andreas: Ich bin auch freundlich in einem kleinen Team aufgenommen worden und man hat gemerkt, dass die Vernetzung untereinander funktioniert. Für eine Versicherung hat mich die Baloise sehr überrascht und auch die Grösse ist ideal.

Tipps für Einsteiger - wie wird gearbeitet und gelernt?

Timm: Was sollte man zwingend mitbringen, wenn man bei der Baloise in euren Bereichen erfolgreich sein möchte?

Juliane: Natürlich sind ein mathematisches Grundverständnis und logisches Denkvermögen essentiell. Man muss sich schnell in verschiedene Systeme einarbeiten können. Zudem ist Kontaktfreudigkeit wichtig, denn wir arbeiten immer mit anderen Leuten zusammen.

Andreas: Genau. Technische Grundlagen, wie zum Beispiel bei uns die Programmierung, sind wichtig aber vor allem auch mit den internen und externen Kunden kommunizieren zu können. Ausserdem ist es unverzichtbar, Dinge zu erstellen, die brauchbar und verständlich sind.

Kim: Gibt es viele Quereinsteiger bei euch in den Abteilungen?

Juliane: Speziell bei mir im Team sind es nur Mathematiker/-innen und Physiker/-innen aber in anderen Abteilungen in meinem Bereich gibt es zum Beispiel auch Psychologen.

Andreas: In meinem Team sind aktuell auch alle direkt aus der Mathematik aber auch Ökonomen oder Informatiker sind durchaus vorstellbar. Es darf einfach keiner Berührungsängste vor der Mathematik haben.

Timm: Wird bei euch eher im Team oder alleine gearbeitet?

Andreas: Wenn jemand etwas programmiert oder ein Modell entwickelt, dann macht er das schon in der Regel alleine aber vorher und währenddessen stimmen wir uns immer untereinander ab. Die Interaktion und Teamfähigkeit ist schon sehr wichtig.

Juliane: Bei uns ist der Austausch auch sehr wichtig, da man manchmal allein einfach nicht weiterkommt.

Kim: Müsst ihr in euren Bereichen ständig up to date bleiben?

Juliane: Der Bereich "Unternehmenskunden" ist nicht so schnelllebig wie der Bereich "Motorfahrzeug Versicherungen" aber auch wir müssen auf dem neuesten Stand bleiben. Das ist heutzutage immer wichtig. Das beste Beispiel sind die Cyber-Versicherungen.

Timm: Wie kommt man bei den Cyber-Versicherungen zu einer Datengrundlage?

Juliane: Erstmal gar nicht. Wir müssen unsere Erfahrung und die der anderen Abteilungen nutzen und stetig dazu lernen.

Kim: Andreas, wie ist es bei dir im Bereich Risikomanagement mit dem Lernen?

Andreas: Das ist bei uns auch ein Thema. Sei es durch neue Regulierungen, wie nach der Finanzkrise oder auch intern. Wir sind in einem dynamischen Umfeld und müssen unsere Modelle immer wieder anpassen und neu abwägen. Auch die IT und die Programmierung ändern sich immer wieder.

Timm: Womit arbeitet ihr in der Programmierung?

Andreas: Wir arbeiten mit C++. Das bietet uns die Perfomance, die wir benötigen und auch von der Compliance Seite her ist das die beste Wahl für uns.

Juliane: Datenabfragen mit SQL oder SAS. Speziell auch Programme wie Radar.

Kim: Gibt es auch noch nicht Fachspezifisches, das ihr in eurem Leben gerne lernen würdet?

Andreas: Natürlich gibt es auch noch das Privatleben, in dem man Vieles lernt. Hier interessieren mich vor allem elektronische Dinge, also die Schnittstelle von Hardware und Software, wie programmierbare Chips.

Juliane: Ich habe jetzt angefangen Französisch zu lernen und mache gerade die SAV Ausbildung (Schweizer Aktuars Vereinigung), die aufbauend zum Mathestudium absolviert werden kann.

Timm: Andreas, was möchtest du Leuten, die sich für den Beruf des Risikomanagers interessieren, mit auf den Weg geben?

Andreas: Man sollte offen sein und wissen, dass man als Mathematiker nicht alles einfach berechnen kann. Ansonsten sollte man sicherlich kontaktfreudig sein, sich in andere Gebiete hineindenken können und die nötige Motivation mitbringen.

Juliane: Ich schliesse mich da den Ausführungen von Andreas voll und ganz an. Man sollte nicht zu eingeschränkt auf die mathematische Sicht der Dinge sein.

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